Auf der amerikanischen Sport-Website Competitor.com wurde kürzlich ein sehr umfangreicher Reifen-Vergleichstest in Punkto Geschwindigkeit veröffentlicht, der überraschende Ergebnisse hervorbrachte. Das wichtigste Fazit: Breite Reifen laufen auf fast jeder Strecke schneller, die vermeintlichen Vorteile von Schlauchreifen (und Tubeless-Ready-Reifen) gegenüber Clinchern konnten im Test nicht bestätigt werden. Die Messungen wurden bei der finnischen Firma „Wheel Energy“ durchgeführt, deren Reifen-Prüfstand als bester der Welt gilt. Unter den 34 Testmodellen befanden sich Drahtreifen sowie offene und geschlossene Schlauchreifen. Auch bei den Breiten wurden ganz unvoreingenommen Modelle zwischen 22 und 26 Millimetern ausgewählt. Jedes Reifenmodell wurde in zweifacher Ausführung getestet und die Ergebnisse gemittelt. Um zusätzlich realistische Bedingungen zu schaffen, wurden in den teureren Drahtreifen Latex- und in den günstigeren Butylschläuche verwendet. Hauptaugenmerk des Tests wurde auf den Rollwiderstand gelegt, das heißt den Kraftverlust beim Fahren durch die Eigenschaften des Reifens. Die jeweilige Messung ergab einen absoluten Wert in Watt pro Reifen. Je geringer der Wert, desto schneller läuft der Reifen. Bei den Ergebnissen fällt eins sofort ins Auge: Vier der fünf bestplatzierten Reifen kommen vom amerikanischen Hersteller Specialized. Allerdings stammen alle fünf vom selben Entwicklerteam, das von Contintental aus Deutschland zu Specialized wechselte. Und die Ergebnisse bergen in den Details weitere Überraschungen, die Autoren wie Leser in manchen Überzeugungen verändert haben dürften. So wird landläufig davon ausgegangen, dass ein elastischer, nicht gehärteter Schlauchreifen mit hohem TPI-Wert (also der Wert, der die Anzahl der Fäden in der Karkasse pro Inch angibt) grundsätzlich schneller läuft. Aber nur einer der ersten fünf Bestplatzierten ist ein nicht-vulkanisierter offener Schlauchreifen (der „Specialized Turbo Cotton“ auf Platz 2). Die anderen vier waren voll-vulkanisierte Reifen (zwei Schlauch- und zwei Drahtreifen) mit weniger dichtem Gewebe in der Karkasse. Die Autoren meinen daher, dass Aufbau und Beschaffenheit des Reifens und der Felge einen deutlich geringeren Einfluss auf die Schnelligkeit haben, als bisher angenommen. Selbstverständlich können einige Unterschiede ausgemacht werden: So führt ein leichtes und elastisches Dichtmittel in der Karkasse oder als Innenschlauch zu weniger Reibung zwischen den Materialien und damit zu weniger Rollwiderstand. Latexschläuche oder -dichtmittel machen den Reifen also etwas schneller. Auch macht sich das Gewicht von Reifen plus Schlauch bemerkbar, wobei hier immer wieder zwischen dünneren (und dafür pannenanfälligeren) oder robusteren (und dafür schwereren) Reifen abgewogen werden muss. Absolut ausschlaggebend für die Schnelligkeit sind jedoch die Gummimischungen in der Lauffläche und die Breite des Reifens. Letzteres sehen die Tester insbesondere dadurch bestätigt, dass zwei vollkommen identische Modelle in unterschiedlichen Breiten in der Wertung stark voneinander abwichen. Die breiteren Reifen ließen alle schmaleren hinter sich, unter den ersten fünf ist keiner unter 25 Millimetern. Das überrascht zunächst, liegt bei genauerem Hinsehen aber auf der Hand. Schmale Reifen laufen nur auf vollkommen glattem Untergrund besonders schnell. Ist die Fahrbahn rauer, verliert ein Reifen mit kleinerer Lauffläche immer wieder minimal den Kontakt zum Boden und damit die nötige Haftung, um sich nach vorn zu bewegen. Dabei geht sehr viel Kraft verloren. Das Geheimnis der Gummimischung liegt in der Physik des Rollwiderstands. Jedes Gummigemisch führt zu einem anderen Verformungsverhalten und damit zu mehr oder weniger Energieverlust beim Fahren. Die Rezepturen aus organischen und synthetischen Materialien (bis hin zum „Black Chili“ von Continental) werden daher auch wie Staatsgeheimnisse gehütet. Offensichtlich hat hier aber Specialized mit seinem Entwicklerteam die Nase vorn. Bei der Frage nach dem richtigen Reifendruck machten die Tester noch einige interessante Zusatzmessungen. So konnte nachgewiesen werden, dass sich bei den teureren Reifen eine Veränderung des Luftdrucks kaum auf die Geschwindigkeit auswirkt. Bei günstigeren Modellen ist die Toleranz ebenfalls sehr groß, soweit es die elastischen Faltreifen betrifft. Nur bei den günstigen, voll-vulkanisierten Reifen wird empfohlen, mit weniger Druck zu fahren, um den „Abhebe-Effekt“ und damit unnötigen Energieverlust zu vermeiden. Alles in Allem empfehlen die Autoren den Testsieger „Specialized S-Works Turbo Road“ als schnellen und zuverlässigen Schlauchreifen. Wer auf pannensicheren Strecken unterwegs ist, mehr auf Geschwindigkeit und Grip und weniger auf der Reifendruck achten möchte, der kann mit dem zweitplatzierten offenen Schlauchreifen „Specialized Turbo Cotton“ noch ein Quentchen Speed herausholen. Link zum Test: http://velonews.competitor.com/ where-the-rubber-meets-the-road-what-makes-cycling-tires-fast